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Präzise Solarstrom-Prognosen

Wie wir mit öffentlichen Webcams die Solarstrom-Prognose günstiger und präziser machen.

#ai #deeplearning #sustainability
Webcams für die Energiewende St. Gallen

Unser Impact

  • Günstigere Prognose und gute Qualität mit öffentlichen Webcams

  • Prognosegenauigkeit: rund 4,3 % nRMSE (10min ahead)

  • Deep-Learning-Prototyp in nur 6 Monaten entwickelt


Die Challenge

Stromverbrauch weltweit? Steigt. 2024 liegt das Plus bei 4,3 %. Der höchste Wert seit Jahren. Und wer liefert das Wachstum? Zu 75 %: Solarenergie – innerhalb der neu gebauten erneuerbaren Energieträger. Allein in der EU ist sie inzwischen führende Stromquelle. Doch: Je mehr Solaranlagen, desto wichtiger wird ihre präzise Steuerung. Das Problem – spontane Wetterumschwünge, vor allem lokal auftretende Wolken, machen kurzfristige Prognosen schwer. Die klassische Meteorologie stößt hier an Grenzen. 

In der Forschung dominieren sogenannte SkyCams – hemisphärische Spezialkameras, die senkrecht in den Himmel blicken. Sie liefern gute Ergebnisse, sind aber teuer und selten. Also haben wir uns gefragt: Warum nicht das nutzen, was schon da ist? Öffentliche Webcams. 

Die Lösung

Im Zentrum unserer Forschung: ein Deep-Learning-Prototyp, der Stromprognosen auf Basis öffentlich zugänglicher Webcam-Bildsequenzen erstellt. Warum das besonders ist? Weil diese Kameras nicht für diesen Zweck gebaut wurden – anders als die klassischen SkyCams, die vertikal in den Himmel schauen und in der Literatur als Goldstandard gelten. 

Wir drehen die Perspektive:

Statt auf Spezial-Hardware zu setzen, nutzen wir, was sowieso schon da ist – horizontal ausgerichtete Webcams im Umkreis von 12–24 km um St. Gallen. Die Herausforderung dabei: Diese Kameras liefern nicht immer das perfekte Bild und liegen teilweise kilometerweit von den PV-Anlagen entfernt. 

Unsere Antwort darauf ist technischer Natur: Wir kombinieren Convolutional Neural Networks (CNN) zur Bildverarbeitung mit Long Short-Term Memory-Netzen (LSTM) für die zeitliche Modellierung. Ergänzt wird das Modell durch kontextuelle Informationen – etwa den Sonnenstand oder vergangene PV-Produktion. Daraus entsteht ein Multi-Horizon-Vorhersagemodell, das sechs Zeitpunkte im 10-Minuten-Takt simultan prognostiziert. 

Das bringt Vorteile: 

  • Weniger Rechenaufwand 

  • Konsistentere Ergebnisse 

  • Mehr Robustheit gegen Ausreißer 

Technisch arbeiten wir mit: 

  • Python, PyTorch & PyTorch Lightning 

  • Smart-Meter-Daten (15-Minuten-Auflösung, auf 10 Minuten interpoliert) 

  • Webcam-Bilder synchron im 10-Minuten-Takt 

  • Evaluationsmethoden wie nRMSE, MAE, MSE, WAPE  

Dabei entsteht eine Datenpipeline, die Bilddaten und Produktionswerte automatisiert verarbeitet, aufbereitet und in das Modell einspeist – von der Kamera bis zur Vorhersage ein sauber integrierter Prozess. 

Ein weiterer Fokus lag auf der räumlichen Kombination der unterschiedlichen Kameraquellen. Denn: Nicht die Distanz zur PV-Anlage ist entscheidend, sondern ihre Position relativ zur Windrichtung. Wer das Wetter kommen sieht, gewinnt. In späteren Modellversionen evaluieren wir daher auch Strategien wie Attention-Mechanismen und Kamera-Embeddings, um relevante Blickwinkel noch gezielter zu gewichten. 

Das Ergebnis

Ein Prototyp, der nicht nur funktioniert – sondern überzeugt. Unser bestes Modell erreicht eine Vorhersagegenauigkeit von rund 4,3 % nRMSE (10min ahead) – mit bis zu 3,25 % Verbesserung gegenüber der eigenen Baseline – und schlägt damit etablierte Vergleichswerte aus der Fachliteratur. 

Alle zentralen Modellvarianten wurden mit signifikanten Verbesserungen (p < 0,01) evaluiert. Unsere Ergebnisse zeigen, dass auch horizontal ausgerichtete, nicht speziell installierte Webcams in der Lage sind, zuverlässige Leistungsprognosen für Photovoltaikanlagen zu ermöglichen – und zwar auf Augenhöhe mit SkyCams. 

Was das für den Energiesektor bedeutet: 

  • Kosteneffizienz: Keine Spezialkameras, keine zusätzlichen Installationen 

  • Skalierbarkeit: Webcams gibt es in fast jeder Stadt – das Potenzial ist riesig 

  • Zugang zu Daten: Der Schlüssel zu präzisen Vorhersagen liegt in den richtigen Daten. Nur durch die frei zugänglichen Produktionsdaten der Stadtwerke St. Gallen aus dem Open Data Portal war es möglich, das Modell in dieser Qualität zu trainieren und zu evaluieren. Das zeigt: Transparente Datenbereitstellung ist kein Nice-to-have, sondern ein echter Enabler für Innovation in der Energiewende. 

Und auch in der Forschung schließen wir Lücken: Bisherige Studien mit öffentlichen Webcams waren auf einzelne Bilder oder extreme Nähe zur PV-Anlage beschränkt. Unsere Arbeit zeigt: Mit der richtigen Modellarchitektur, intelligenten Feature-Kombinationen und guter Vorbereitung sind auch breiter gestreute Kamerastandorte hochwirksam. 

Bereit für den nächsten Schritt: Ob Attention-Mechanismen, Transfer Learning mit domänenspezifischen CNN-Backbones oder die Einbindung weiterer Wetterfaktoren wie Wind, Temperatur oder Schneebedeckung – unser Modell ist die Grundlage für eine neue Generation smarter, zugänglicher Energieprognosen. 


What the experts say

  • „Die Energiewende spielt sich nicht nur auf politischer Ebene ab – sie findet in Städten wie unserer ganz konkret statt. Für uns ist es essenziell, Technologien zu testen, die nicht nur funktionieren, sondern auch breit anwendbar sind.“

  • „Wenn wir die Energiewende ernst meinen, brauchen wir auch neue Wege, um ihre Dynamik zu beherrschen. Unsere Forschung zeigt: Es geht günstiger, skalierbarer – und trotzdem präzise.“


Tauschen wir uns aus!


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