Schweizer Nachhaltigkeitsrichtlinien entstehen zwar, hinken dem ehrgeizigen EU-Aktionsplan stark hinterher. Der momentane Stand: Schweizer Banken und Versichernde der Kategorien 1 und 2 müssen von der FINMA ab Januar 2022 qualitative und quantitative Informationen über klimabezogene Risiken in der jährlichen Offenlegung veröffentlichen.
Auch Schweizer Großbanken und Vermögensverwalter unterliegen den SFDR-Anforderungen, wenn sie auf dem EU-Markt tätig sind. Das ist der Fall, wenn sie Anlageberatungs- und Vermögensverwaltungsdienstleistungen in der EU anbieten. Die SFDR-Verordnung betrifft die Schweizer Inlandsbanken hingegen nur in geringem Maße. Doch das ändert sich: Gemäß den vom Bundesrat festgelegten Parametern werden öffentliche Unternehmen, Banken und Versicherungen unter bestimmten Bedingungen voraussichtlich ab 2024 für das Geschäftsjahr 2023 zur öffentlichen Berichterstattung verpflichtet sein.
Die Richtlinie gilt für Institutionen mit 500 oder mehr Beschäftigten, einer Bilanzsumme von mehr als 20 Mio. CHF oder einem Umsatz von mehr als 40 Mio. CHF. Eine endgültige Verordnung wurde noch nicht veröffentlicht, aber die öffentliche Berichterstattung wird voraussichtlich auf den TCFD-Empfehlungen beruhen und einem Ansatz der doppelten Wesentlichkeit folgen.
Challenge und Chance: Lasst uns eine Schweizer ESG-Drehscheibe schaffen
Eine verpflichtende öffentliche Berichterstattung stellt Unternehmen, Banken und Versicherungen vor eine echte Challenge, ist aber auch eine einmalige Chance. Denn die Schweiz könnte in ihrer Position als Finanzzentrum das Open-Banking-Konzept nutzen und als Vorreitende bei der Schaffung einer gemeinsamen ESG-Rohdaten-Drehscheibe agieren.
Ein Konzept, welches in der Vergangenheit nicht für regulatorische Änderungen wie MIFID II genutzt wurde. Das muss sich ändern, denn eine Open-Banking-Möglichkeit bringt sowohl Größen- als auch Umfangsvorteile. Die Zusammenführung von ESG-Daten in einer einzigen offenen Bankenplattform verbessert die Abdeckung und schafft Mehrwert, indem sie eine zentrale Datenquelle für Analysen und Berichte darstellt.
Außerdem ermöglicht eine standardisierte Datenplattform, die auch Bewertungen von Drittanbietenden enthält, eine bessere Kontrolle der Datenlieferkette und verbessert die Datengenauigkeit im Lichte der Risikodatenaggregationsleitlinien des BCBS239.
ESG als White-Label-Dienstleistung
Schon jetzt bieten viele Rating-Anbietende und kleinere GreenTechs in und außerhalb der Schweiz ESG-Datenplattformen als Dienstleistung an – einschließlich integrierter Berichterstattung. Auch Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen versuchen, diesem Beispiel zu folgen und ihre eigenen Plattformen anzubieten.
Für größere Akteur:innen besteht jetzt die große Chance, ihr bestehendes Banking-as-a-Service (BaaS)-Angebot für FinTechs und kleinere Akteur:innen durch ESG-Daten und Berichterstattungsdienste zu ergänzen – zusätzlich zur Deckung ihres eigenen ESG-Datenbedarfs.Das kann durch die Beschaffung von Rohdaten aus dem Open-Banking Data Hub und die Anwendung der bankeigenen Methodik zur Anreicherung und Analyse erreicht werden.
Banken, die ESG in ihr BaaS-Angebot einbinden, haben jetzt die Möglichkeit, einen Beitrag zum Wandel hin zur mehr Nachhaltigkeit über ihre eigenen Aktivitäten hinaus zu leisten und gleichzeitig ihre digitalen Fähigkeiten und ihre Kund:innenreichweite für Plattformdienste zu stärken. Ein großer Vorteil: Der Ansatz der Plattform als Dienstleistung kann in einer Reihe von Sektoren angewendet werden.
Die ESG-Datendrehscheibe kann in der Versorgungs- und Immobilienbranche beispielsweise die Überwachung der Nutzung- und Umweltauswirkungen erleichtern und die automatische Berichterstattung über kritische Versorgungseinrichtungen innerhalb eines Geschäftsgebäudes oder eines Immobilienportfolios vereinfachen.